Konrad Neubauer Fotografie
Der Weg
Im Jahr 1973 kauft Konrad Neubauer, damals 20 Jahre alt, Student in der Lehrerausbildung an der Pädagogischen Akademie, die Spiegelreflexkamera Exakta VX-1000, eine ostdeutsche Kamera ohne Belichtungsanzeige. Er fotografiert Sportveranstaltungen, Faschingsumzüge, Tiere im Safaripark Gänserndorf, den Haflingermarkt in Weyer, seine Schüler und Schülerinnen, später auf Reisen Straßenszenen in Tunesien und Istanbul, stellt Porträts von befreundeten Personen oder Familienmitgliedern her und stützt sich dabei auch auf verschiedene Anleitungen und Vorbilder in den üblichen Fotofachzeitschriften.
Im Rahmen einer beruflichen Weiterbildung in Mauterndorf/Sbg begegnet er in einem Gasthaus einem Obdachlosen. Er fragt diesen, ob er ihn fotografieren dürfe. Diese Begegnung ist einer der Auslöser, gezielt Fotoarbeiten herzustellen und Konzepte zu überlegen. Wanderungen durch Wien, die Dokumentation einer Bundesheer-Angelobung, eine Reise nach Tirol, ein Aufenthalt in Istanbul, Dokumentationen in Weyer und in der Region folgen.
Die Faszination für das Medium Fotografie ist entfacht. Neubauer baut sich eine Dunkelkammer, experimentiert mit viel Ausdauer, stellt Testreihen mit verschiedenen Filmen her und führt Entwicklungsversuche mit selbst hergestellten Chemikalien durch. Fortbildungskurse für Lehrer:innen in Salzburg in den Sommermonaten 1975 und 1978 erweitern sein technische Wissen.
1980 lernt Neubauer in Reichraming/OÖ den 72jährigen Michael Wartecker kennen, einen begeisterten Sammler von alten Ansichten aus dem Reichraminger Hintergebirge, in dem dieser als Holzknecht viele Jahre gearbeitet hat. Die Schwarzweißfotografien aus dem Hintergebirge bringen die beiden Männer zusammen, denn Neubauer reproduziert sie für Wartecker. Es beginnt eine jahrelange Zusammenarbeit und Freundschaft.
Wartecker ist bekannt für seine Erzählkunst. Neubauer zeichnet diese Erzählungen mit einem Tonband auf und fotografiert Wartecker im Gespräch. So entsteht schließlich 1999 die Publikation Vom langen Weg des Holzes - Geschichten aus dem Leben des Michael Wartecker, die vom Verlag Bibliothek der Provinz herausgegeben wird. In diesem Band finden Warteckers Mundart-Erzählungen mit hochsprachlichen Übersetzungen, kombiniert mit Neubauers Gesprächsbildern, mit zahlreichen Fotografien aus dieser Zeit und den Abbildungen der Originalwerkzeuge ihren Niederschlag.
Als Neubauer 1981 vom bevorstehenden Umbau der Eisenstraße zwischen seinem damaligen Wohnort Ternberg und Reichraming erfährt, beschließt er, diesen Straßenbau gezielt zu dokumentieren. Daraus wird, zusammen mit Dokumentationen anderer Straßenabschnitte zwischen Hieflau und Steyr und zwischen Weyer und Gaflenz die Gesamtarbeit Eisenstraße, die ihn bis 1999 beschäftigt. Neubauer vergleicht in Bildpaaren den Zustand der alten Straße mit der Situation nach dem Umbau. Hunderte Bildpaare sind das Ergebnis.
Der Berufsfotograf Karl Köberl aus Altenmarkt macht Neubauer auf die steirischen Autorenfotografen aufmerksam. Neubauers Teilnahme an Workshops der Naturfreunde Steiermark bringen ihn mit Erich Kees, Elisabeth Kraus, Max Aufischer, Branko Lenart und anderen zusammen, die eine Neuorientierung in der Bildauffassung und einen reflektierten, überlegten Zugang zum Medium Fotografie vertreten. Neubauers mitgebrachten komponierten Arbeiten werden bei einer Bildbesprechung höflich, aber bestimmt in den Bereich der Salonfotografie verwiesen, mit denen man Bewerbe gewinnen könne, die aber keine inhaltliche Substanz aufweisen würden. Die tiefgreifende Begegnung mit diesen Fotograf:innen und deren interessante Auseinandersetzung mit inhaltsbezogener, konzept- und themenorientierter Fotografie hinterlassen bei Neubauer einen bleibenden Eindruck.
Derselbe Karl Köberl fordert im Jahr 1988 Konrad Neubauer auf, ihm vier Schwarzweiß-Fotografien zu bringen, die er als Obmann des Fotoclubs Altenmarkt im Bereich Schwarzweißfotografie bei der Staatsmeisterschaft der Amateurfotografen einreichen würde. Neubauer gewinnt völlig überraschend den Bewerb und wird österreichischer Staatsmeister. Bei der Preisverleihung in Linz spürt er jedoch deutlich, dass dies nicht seine Welt ist, dass die stark technikorientierte und etwas selbstgefällige Art der Akteure konträr zum Zugang der steirischen Autorenfotografen ist, die ihn so beeindruckt hatten. Es ist das einzige Mal, dass Neubauer an einem derartigen Bewerb teilnimmt.
Nach den Erkenntnissen bei der Staatsmeisterschaft beschließt Neubauer, seinen eigenen Weg zu gehen. Die nun entstandene Leere füllt er neben den Straßendokumentationen mit anderen dokumentarischen Arbeiten. Er fotografiert den Kanalbau in Weyer und die entstehende Kläranlage. Der heruntergekommene Gutshof Gmerkt findet sein Interesse wie auch die schon unansehnlichen Betriebsgebäude einer Gaflenzer Metallfirma. Im Frühjahr 1988 hält sich Neubauer mit Genehmigung der Erben immer wieder in den beiden Häusern des verstorbenen Johann G. auf, einem genialen, aber auch gefürchteten Außenseiter.
Als der Fotograf 1997 das Kunstprojekt Schwarzbunte Stiefel - Eine posthume Beziehungsaufnahme zu Johann G. beim Festival der Regionen einreicht und das Projekt von der internationalen Jury angenommen wird, kann es aus besitzrechtlichen Gründen nicht durchgeführt werden. Neubauers umfangreiche Arbeiten zur Stallburg bleiben in seinem Archiv.
Nun erfährt mit Dokumentationen die Fotografie Neubauers eine klare inhaltliche Ausrichtung, die sich über die Jahre und Jahrzehnte hinweg als interessante und erfolgreiche Perspektive erweist. Weyer und seine Umgebung nützt er als Experimentierfeld.
Er sieht seinen Heimatort in Bezug auf die Dokumentation von sozio-kulturellen Veränderungen als Modell, das den Prozess der beständigen Transformation von Wohnraum und Landschaft festhält, ein Vorgang, der nahezu überall stattfindet, aber kaum wo in diesem Ausmaß festgehalten wird.
Gemeinsam mit und auf Anregung seiner Frau Maria gründet Neubauer 1991 in Weyer die STRASSENGALERIE, die aus drei großen, straßenseitig gelegenen, alten Schaufenstern mit 18 m² Ausstellungsfläche besteht. Im Zeitraum von vier Jahren werden hier 25 Ausstellungen mit Arbeiten aus dem Bereich der zeitgenössischen Fotografie und Medienkunst in einer über die Region hinaus sehr beachteten und geschätzten Form präsentiert. Unter anderem zeigen in der STRASSENGALERIE namhafte österreichische Fotograf:innen und Medienkünstler:innen wie Johanna Kandl, Andrew Phelps, Fabio Zolly, Tassilo Blittersdorff und Walter Ebenhofer ihre Arbeiten.
Konrad Neubauer wird eingeladen, seine Fotoarbeit Beharrlichkeit des Horizonts, die dem großen Bereich der Eisenstraßendokumentation in Bildpaaren zuzurechnen ist, in der Galerie Spectrum im Landhaus Linz, dem Sitz der oberösterreichischen Landesregierung, zu zeigen. Kleine, unscheinbare Bildpaare von Straßenverläufen sind Gegenstand dieser Ausstellung. In der Folge wird diese Fotoarbeit vom Land Oberösterreich und später vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst angekauft.
Konrad Neubauer sucht in der Folge eine umfassendere Möglichkeit der Dokumentation. Er möchte eine Form finden, die es erlaubt, den gesamten Talkessel des Marktes Weyer abzubilden und in diesem Bildrahmen Veränderungen festzuhalten. Die Herstellung von Panoramen und das Einfügen von jeweils aktuellen Farbbildern in dieses große Gesamtbild in Form von Puzzlestücken erscheinen ihm als eine gute Vorgangsweise.
In den Jahren 1991 und 1992, vor allem in den Wintermonaten und im blätterlosen Frühjahr, stellt er nun an 14 Standorten in Weyer Panoramafotografien her, die aus jeweils bis zu 220 Einzelaufnahmen bestehen. Die Standpunkte werden mittels Kontrollaufnahmen, Maßband und Skizze exakt vermessen und aufgezeichnet und später als Identische Punkte beschrieben.
Geleitet von aktuellen Anlässen, von erkennbaren Veränderungen, von Tages- und Jahreszeiten und von aufzeichnungswürdigen temporären Konstellationen kehrt Neubauer in den nächsten Jahren immer wieder an diese festgelegten Punkte zurück und stellt Farbaufnahmen her, die sich wie Puzzlestücke exakt in die schwarzweißen Panoramabilder integrieren lassen.
Die einzelnen Bilder sollen in der Dunkelkammer vergrößert und möglichst passgenau zu einem Panoramabild zusammenfügt werden. Aus Kostengründen fotografiert Neubauer mit möglichst knappen Überlappungen, was ihm später in der digitalen Form beim Zusammenbauen Schwierigkeiten bereiten wird.
Der Vorstandsvorsitzende eines großen österreichischen Baukonzerns sieht zufällig als Besucher des Baufestes einer regionalen Firma, für die Neubauer spezielle Fotografien von Bauobjekten hergestellt hat, Neubauers Bilder in der dort gezeigten Ausstellung. Er fragt bei ihm an, ob er für seine Firma als Fotograf arbeiten würde. Das Ergebnis dieses Gespräches, das an einem Stehtisch bei einem Seidel Bier stattfindet, mündet in eine über zwanzig Jahre andauernde fruchtbare Zusammenarbeit, in der Neubauer etwa 1500 Bauobjekte in unterschiedlichen Baustadien in Österreich, Deutschland und der Schweiz fotografiert.
Dazu ist es auch notwendig, dass sich Neubauer, der kein ausgebildeter Fotograf ist, um eine Gewerbeberechtigung bemüht. Die Wirtschaftskammer erlaubt ihm ein eingeschränktes Gewerbe, das die Herstellung von Hochzeitsfotos und Schulfotos ausschließt.
Die Volksschule Weyer, ein über 100 Jahre altes Gebäude und Arbeitsplatz des Lehrers Konrad Neubauer, erinnert ihn in Struktur und Hierarchie frappant an das Linzer Internat, in dem er von 1968 bis 1974 als Schüler und Student sechs Jahre verbrachte. Besonders die beiden großen Glocken im ersten Stock des Schulgebäudes sind jenen Glocken sehr ähnlich, die damals im Internat die Schüler um sechs Uhr morgens aus dem Schlaf rissen. Sie begrenzen in der Schule die Unterrichtszeit und erzeugen bei Neubauer immer wieder ein unangenehmes Gefühl. Gepaart mit einem Unwohlsein über die Form, wie Schule, Unterricht und Beziehung zu den Schüler:innen von den Vorgesetzten gesehen wird, führt dies zum Wunsch, die Zeichen von Hierarchie und Ordnung in diesem Gebäude zu fotografieren. Die gleichförmigen weißen Türen, Wappen, Kreuze und Porträts von Politikern sind die entsprechenden Motive.
Als Neubauer 1994 vom Leopold Kogler, dem künstlerischen Leiter der BlauGelben Galerie in Weistrach eingeladen wird, dort Arbeiten zu präsentieren, entschließt er sich, unter dem Titel Wenn die Glocke schlägt diese Fotoarbeiten aus der Volksschule Weyer zu zeigen. Die Installation Warum lachen Sie, Herr Präsident? sollte später noch eine interessante Rolle spielen.
Wie schon bei der Eisenstraßen-Dokumentation hält Neubauer Situationen in seinem Heimatort und im umliegenden regionalen Raum fest und stellt diese Bilder rund zehn Jahre später den aktuellen Aufnahmen gegenüber. Die Fotoarbeit Augenmerk wird von einer internationalen Jury für das Festival der Regionen 1995 ausgewählt. Von lichtstarken Diaprojektoren, die auf drei Meter hohen Projektionstürmen platziert sind, werden die Bildpaare auf dem Marktplatz von Weyer zwei Wochen lang täglich zur Hauptsendezeit um 20.15 Uhr auf eine riesigen Leinwand vor der Marktkapelle projiziert. Eine Ausstellung im Egerer Schloss begleitet diese Projektionen.
Bereits seit 1991 porträtierte Konrad Neubauer für die Pfarre Weyer die 14jährigen Firmlinge in Schwarzweißbildern. Hunderte von Porträts entstanden. Die Fotos wurden jeweils bei der Firmung im Kirchenraum gezeigt.
Als nun 1998 die Landesausstellung Land der Hämmer ansteht, bemüht sich Neubauer um einen Beitrag zur Landesausstellung, der dem überwiegenden Blick der Landesausstellung in die Vergangenheit der Eisenwurzen einen Blick in die Zukunft gegenüberstellt.
Alle vierzehnjährigen Jugendlichen der acht Gemeinden Losenstein, Laussa, Reichraming, Großraming, Maria Neustift, Weyer Markt, Weyer Land und Gaflenz werden eingeladen, sich porträtieren zu lassen und kommen beinahe ausnahmslos dieser Einladung nach.
Eine 150 m lange Porträtwand in Losenstein, von der Eisenstraße aus gut einsehbar, bestehend aus 214 Schwarzweißfotografien in der Größe von jeweils 70 x 100 cm, stellt jene jungen Menschen in den Mittelpunkt, die die Zukunft dieser Region gestalten werden. Die Jugendlichen erhalten, wie von Neubauer gewünscht, beim Abschlussfest in Reichraming aus den Händen der Landespolitiker ihr Porträt als Geschenk.
Immer wieder taucht im Kunstbereich das Thema künstlerischer Zwischen- oder Neunutzung von leerstehenden Objekten auf, zuletzt auch als begleitendes Projekt zum Viertelfestival NÖ-Weinviertel 2017.
Neubauer nimmt sich dieses Themas in den Jahren 1998 bis 2000 an. Ehemalige öffentliche Gebäude oder Flächen und verborgene/vergessene Räume meist im Ortszentrum von Weyer werden für einen kurzen Zeitraum geöffnet und als Ausstellungsraum oder Ausstellungsfläche genützt. Besucher der jeweiligen Ausstellung begegnen diesen Örtlichkeiten in einem neuen, ungewohnten Zusammenhang. Erinnerungen an frühere Funktionen dieser Orte werden geweckt. Der Inhalt der Fotoarbeiten steht meist in enger Wechselwirkung zum Ausstellungsraum. Der Projekttitel des interdisziplinären Kunstprojektes MOBILE N verweist auf den Begriff Mobilität in mehrfacher Hinsicht.
MOBILE 1 – ENSEMBLES und TERNBERGER im ehemaligen Salon Gerti im Ahamerhaus
MOBILE 2 – LUFTHOLEN im ehemaligen Gemüseladen der Backer Marie im Bittnerhaus
MOBILE 3 – SELEKTION und FASSADE in Christas ehemaligem Stoff- und Wollladen im Hörhannhaus
MOBILE 4 – VERBOTENE WÄNDE an der straßenseitigen Holzwand des Schwimm- und Sonnenbades Weyer
MOBILE 5 – GRÜNE MADONNA in der ehemaligen Straßengalerie Weyer
MOBILE 6 – IN GOTTES OHR in Griessls ehemaliger Kinderstube
MOBILE 7 – BIADEGGLBÜDA im Groggerkeller mit Außenstationen in neun Gaststätten
MOBILE 8 – EISENSTRASSE in der ehemaligen Eisenhandlung Gruber
MOBILE 9 – DAS HOTEL in der Bahnhofsresti, dem ehemaligen Bahnhofsbuffet Kleinreifling
MOBILE 10 – DER KANDIDAT und DANKZETTEL im Bertholdsaal
Im Jahr 2004 ergibt sich im Rahmen eines Kunstauftrages anlässlich des Umbaues des Egererschlosses in Weyer für Neubauer die Möglichkeit, eines der 1991 hergestellten 14 Panoramen Identischer Punkt zusammenzubauen.
1991 waren Computer erweiterte Schreibmaschinen mit geringer Speicherkapazität. Eine digitale Bildbearbeitung und softwarebasierte Möglichkeiten, einzelne Bilder zu Panoramen zusammenzubauen, waren damals weit außerhalb des Denkmöglichen, Begriffe wie Nodalpunkt oder die Notwendigkeit, die einzelnen Bilder mindestens 25 Prozent zu überlappen, völlig unbekannt. Durch die erste digitale Revolution ab dem Jahr 2000 wurde es langsam möglich, mit einer Panoramasoftware, einfach in den Möglichkeiten und sehr teuer, so etwas zu bewerkstelligen.
Nach Digitalisierung der Negative gelingt es Neubauer mit Unterstützung seiner Tochter Ruth, die an der Akademie der bildenden Künste in Wien ausgebildet wurde und die die Herstellung des Hintergrundbildes übernimmt und eine interaktive Möglichkeit der Betrachtung am Bildschirm aufbereitet, das 540 x 160 cm große Tafelbild des Marktplatzes herzustellen und die baulichen Veränderungen und eine Reihe von sozialen Elementen wie Puzzleteile einzufügen.
Alle anderen SW-Panoramen inklusive der in den weiteren 15 Jahren entstandenen Farbaufnahmen ruhen noch im Archiv. 2019 stellt Neubauer zur Sicherung von einigen Panoramen das Vergleichspanorama her, sollte einmal diese Örtlichkeit nicht mehr betreten werden können.
Im Jahr 2007 erfolgt der Zusammenschluss der beiden Gemeinden Weyer Markt und Weyer Land zur Marktgemeinde Weyer. Konrad Neubauer wird beauftragt, anlässlich dieser Vereinigung und der Erweiterung des Rathauses ein Kunstprojekt für das Rathaus Weyer herzustellen. Von Seiten der Gemeinde wird der Wunsch ausgesprochen, die Bewohner:innen der verschiedenen Ortsteile mögen sich in diesen Arbeiten wiederfinden.
Neubauer nimmt sich die Malereien Pieter Bruegels des Älteren, der in Bildern wie Die Heuernte, Kinderspiel oder Die Bauernhochzeit ein vielfältiges Geschehen in einem Bild zusammenfügt, zum Vorbild. Er stellt bei verschiedenen Ereignissen und Veranstaltungen in Weyer ein fortlaufendes Geschehen in einer sogenannten Zeitraumdokumentation dar, indem er von einem mehrstündigen Geschehen bis knapp tausend Bilder herstellt und in einer aufwändigen Arbeit am Computer aus diesem Geschehensprozess in dem begrenzten Zeitabschnitt selektiv Handlungsausschnitte zu einem Bild vereint, Handlungsabläufe erforscht, Ereignisse interpretiert, Schlüsselszenen betont. Der Titel Schrägschnitt weist auf ein schräges Durchschneiden eines dicken Handlungsstranges aus Raum und Zeit hin. Die so entstehende Schnittfläche wird zum Bild.
Die Fotoarbeit 070101 zeigt die 1053 verschiedenen Familiennamen von Weyer zum Zeitpunkt der Vereinigung der Gemeinden Weyer Land und Weyer Markt am 1.1.2007 in alphabetischer Reihenfolge. Jeder der 26 Buchstaben des Alphabets wird durch einen Begriff ausgedrückt, der in einen fotografischen Farbwert übersetzt wird. Die ausschnitthafte Darstellung eines Apfels wird zum A. Da die1053 Familiennamen über 8500 Buchstaben bzw. Farbwerte umfassen, ergibt das eine 7 m2 große Farbtafel.
Neubauer entdeckte bei seinen Spaziergängen auf dem Kreuzberg bei einer der mächtigen Buchen oberhalb des Thürbauern die Inschrift Karl+Fini. Bald darauf bemerkte er eine zweite, eine dritte Eintragung bei anderen Bäumen. In den nächsten Jahren spürte nun Neubauer systematisch auf den 16 km Wanderwegen des Kreuzberges dieser Namenskombination nach und entdeckte im Laufe der Zeit 21 Zeichen Karl+Fini in verschiedensten Formen. Im Mai 2007 beginnt er sie fotografisch zu dokumentieren und versieht sie im Rathaus mit den GPS-Daten des jeweiligen Standortes. Die Inschrift eines in der Zwischenzeit gefällten Stammes wird in Form eines Holzfragmentes sichergestellt und ist Teil der Arbeit im Rathaus.
Der Powerman Austria – der größte Duathlon-Bewerb Österreichs, wurde seit 1995 im oberösterreichischen Ennstal in den Gemeinden Weyer, Großraming, Maria Neustift und Gaflenz ausgetragen. Hunderte Ehrenamtliche ließen jedes Jahr wieder diesen internationalen Lauf- und Radwettbewerb mit rund 700 Teilnehmer:innen zu einem außergewöhnlichen Sportereignis werden.
Neubauer verfolgte ab 2009 in konzeptueller Weise fotografisch die Bewerbe des Powerman und dokumentierte in verdichteter Form aus zum Teil ungewohnten Positionen und Perspektiven das Geschehen. Er fokussierte auf persönliche Aspekte der Teilnehmer:innen, wählte häufig ein nahes Herangehen an die Akteur:innen, experimentierte mit der Verdichtung von visuellen Eindrücken und thematisierte den normativen und uniformen Charakter des Sportgeschehens.
Das 2016 veröffentliche Buch WECHSELZONE Powerman Austria präsentiert das 20jährige Geschehen und die Geschichte rund um dieses Ereignis. An die 2000 Fotos, die konzeptuellen Fotoarbeiten von Neubauer in Verbindung mit den Fotografien aus den vielen Jahren des Powerman erzählen von den teilnehmenden Sportler:innen, den Organisator:innen und den Helfer:innen, die dieses spektakuläre Event im oberösterreichischen Ennstal auf den Weg brachten. Zahlreiche Interviewausschnitte der handelnden Personen, von Maria Neubauer moderiert, zeichnen ein lebendiges Bild davon, wie eine Region ihre Geschicke selbst in die Hand nimmt und wie die Mitwirkenden durch viele Stunden ehrenamtlicher Arbeit zum Gelingen des Events beitragen.
Die Installation Warum lachen Sie, Herr Präsident? besteht aus den Originaldrucken von fünf Bundespräsidenten, einem Bilderrahmen samt Rückteil und neun SW-Fotografien mit dem lachenden Bundespräsidenten Dr. Thomas Klestil in den verschiedenen Klassen. Neubauer findet diese Originaldrucke in der Volksschule Weyer in einem Bilderrahmen, als es zum Wechsel von Waldheim zu Klestil kommt und verarbeitet sie zu einer Installation. Diese Arbeit, die 1994 bei der Ausstellung Wenn die Glocke schlägt in der BlauGelben Galerie in Weistrach gezeigt wurde, kauft Dr. Margit Zuckriegl für die Sammlung des Bundes an.
Die neun SW-Fotografien werden vom 24. 11. 2012 bis 3. 2. 2013 in der Ausstellung Das öffentliche Bild im Museum der Moderne, Rupertinum in Salzburg gemeinsam mit Arbeiten der Künstler:innen Diane Arbus/USA, Peter Basch/USA, Michael Blum/IL, Deutschbauer/Spring/A, G.R.A.M./A, Dorothee Golz/A, Manfred Grübl/A, Ernst Haas/A, Ludwig Hoffenreich/A, Marcel Houf/A, Franz Hubmann/A, Leo Kandl/A, Leopold Kessler/A, Branko Lenart/A, Erich Lessing/A, Ernst Logar/A, Rudolf F. Lehnert & Ernst H. Landrock/CZ, Inge Morath/USA, Nadar/F, Madame d’Ora/A, Werner Rohde/D, Edward Steichen/USA, Lisl Steiner/USA, Paul Strand, USA, Stefan Weber/A, Weegee/USA und Hans Weiss/A gezeigt.
2013 beendet Konrad Neubauer seine Arbeit als Lehrer und widmet sich nun neben der gewerblichen Arbeit als Fotograf der Digitalisierung des analogen Archivs, der Organisation sämtlicher analogen und digitalen Grunddaten und der finalen Bearbeitung verschiedener bisher nur im Archiv vorhandenen Fotografien und Werkgruppen.
Neubauers Arbeiten basieren auf rund 33 000 Kleinbild-Schwarzweißnegativen, 27 000 Kleinbild-Farbnegativen, 1 000 Mittelformat-Farbnegativen, 500 Mittelformat-Schwarzweißnegativen, 600 9x12cm SW-Planfilmen und 6x9 SW-Rollfilmen, 4000 Farbdias und etwa 900 000 digitalen Rohdaten auf fünfzig externen Festplatten, die alle Arbeiten dreifach sichern.
Dazu kommen aus der Arbeit als Berufsfotograf für die Firmen Strabag, Forster und ELL etwa 35 000 analoge und 38 000 digitale Daten.
Im Fotoarchiv befinden sich weiters die Sammlung Robert Klausberger mit etwa 700 historischen Ansichtskarten von Weyer, 6000 Farbnegative und 5000 SW-Negative der Fotowerkstatt Weyer, also der Schüler:innenarbeiten aus dem Fotounterricht 1989 – 1999 in Weyer und Kleinreifling und Fotoprojekten mit Kindern und Jugendlichen sowie etwa 10 000 digitale Fotografien aus Neubauers Zeit als Lehrer an der Volksschule Weyer bis 2013.
2006 fotografierte Konrad Neubauer für den Baukonzern STRABAG den Neubau der Kirche in Gallspach/OÖ. Von dieser außergewöhnlichen Kirche machte er auch Innenraum- und Nachtaufnahmen und stellte sie dem Pfarrgemeinderat von Gallspach zur Verfügung.
Der niederösterreichische Kulturpreisträger und Pilgrampreisträger Architekt DI Ernst Beneder, der diese Kirche geplant hatte, sah die Bilder und erkundigte sich nach dem Fotografen. So lernten sich Jahre später Neubauer und Beneder kennen.
Ab 2014 fotografiert Neubauer für das Wiener Architekturbüro Beneder/Fischer die Pfarrkirche Lingenau/Vbg, die evangelische Kirche Mitterbach/NÖ sowie den Waldfriedhof, das Rathaus und das Flusshaus in Prinzersdorf bei St. Pölten.
Als bis 2018 alle Digitalisierungsarbeiten erfolgt sind, Konrad Neubauer also den optischen Zugriff auf alle von ihm seit 1973 hergestellten Aufnahmen hat und den Umfang und die Fülle seines Archivs neu erlebt, beschließt er, in größerem Umfang aktuelle mit zum Teil weit zurückliegenden eigenen Aufnahmen aus dem regionalen Raum Gaflenz - Weyer - Kleinreifling zu vergleichen, um so ein Gesamtbild über Veränderungen in diesem regionalen Raum zu erhalten, aber auch einen Überblick über den eigenen Lebenszeitraum zu schaffen.
Aus dem Jahr 1973 tauchen die ersten Bilder auf, ein VW Käfer mit am hinteren Gepäcksträger aufgeschnalltem Koffer und einem Holzschlitten auf dem Dachgepäcksträger. Die mittlerweile 25 Jahre alten zweiten Bilder aus Augenmerk sind interessant und unbeachtete Fotografien aus dem Archiv wecken sein Interesse. Er entnimmt dem Archiv etwa 6000 Bilder und macht sich ab Jänner 2019 daran, so wie schon bei den frühen vergleichenden Fotoarbeiten, zur möglichst gleichen Zeit bei ähnlichen Witterungsverhältnissen jene Punkte zu suchen, die er vor vielen Jahren bereits aufgesucht hat.
Die Arbeitsweise unterscheidet sich von der früheren dadurch, dass er nun nicht mehr ein ausbelichtetes erstes Foto zur Kontrolle in der Hand hält, um den genauen Punkt für die Vergleichsaufnahme zu finden, sondern am Tablet alle frühen Fotos versammelt hat, unterteilt nach Örtlichkeit, Jahreszeit und Witterungsverhältnissen. Die Logistik ist ein wesentlicher und umfassender Teil dieser neuen fotografischen Arbeit. Mittlerweile erschweren ihm der enorme Straßenverkehr, zugewachsene Wiesen und Wege, verbaute Siedlungsflächen und Höhenveränderungen der damaligen Standfläche in manchen Fällen die neue Aufnahme, was ihn jedoch nicht davon abhalten kann, dieser Arbeit beharrlich nachzugehen. Rund 2000 Bildvergleiche entstehen in den Jahren 2019 und 2020. Im Archiv sammelt sich nun Rohmaterial in einer vom Umfang her kaum überschaubaren Menge an Bildvergleichen an.
Da Neubauer am arbeitenden Menschen mindestens so viel Interesse hat wie an der Architektur des fertigen Bauobjektes, schenkte er während seiner 20 Jahre andauernden Arbeit für den internationalen Baukonzern diesem Bereich große Aufmerksamkeit. Tausende Fotografien von Handwerkern auf den verschiedensten Baustellen entstanden.
Nach der Digitalisierung des Analogarchives stellt Neubauer die Dokumentation Bauarbeiter zusammen, die aus etwa eintausend in Schwarzweiß gehaltenen Fotografien besteht. 2019 wird im Rahmen eines Kongresses eine kleine Auswahl dieser Dokumentation in großen Bildformaten im Austria Center Wien gezeigt.
Lange leerstehend wird das 400 Jahre alte spätgotische Prevenhuberhaus am Marktplatz von Weyer in den Sommermonaten 2020 von Konrad und Maria Neubauer erworben und revitalisiert. Auf Vereinsbasis beginnen sie ein Kulturprojekt, das vom Inhalt her zeitgenössisch bis klassisch ausgerichtet ist und sich eigens der Fotografie verschreibt. Die Kulturstätte soll jedoch auch Raum geben für Bildende Kunst, Literatur, Geschichte und Musik, eine interdisziplinäre Sichtweise soll gefördert werden.
Mit den neu geschaffenen Ausstellungsräumen im Prevenhuberhaus greifen Maria und Konrad Neubauer ein Konzept auf, das sie bereits von 1991 bis 1995 mit der STRASSENGALERIE verfolgten und erfolgreich umsetzten – einem Schauraum für Fotografie und Medienkunst. Im April 2021 wird mitten im Corona-Geschehen mit der Kulturarbeit begonnen.
Durch den Abbruch verschiedener Häuser in der Waidhofnerstraße und Hollensteinerstraße zeichnet sich der baldige Beginn der Bauarbeiten zum Umfahrungstunnel von Weyer ab.
Bereits vorher dokumentierte Neubauer die wesentlichsten Punkte und fotografiert nun die ersten massiven Veränderungen. In den nächsten Jahren begleitet er als Fotograf der oberösterreichischen Landesregierung die Entstehung dieses Tunnels und die Entwicklung der Umfahrung Weyer.
Seit 2024 beschäftigt sich Konrad Neubauer wieder mit der digitalen Dokumentation, die ihn bereits 2009 bis 2012 mit der Fotoarbeit Synapsen Weyer tausende Panoramen herstellen ließ, die jedoch ab etwa 2019 wegen der Beendigung des Flash Players nicht mehr gezeigt werden konnte.
Da sich in den letzten Jahren die Software, mit der die Panoramen hergestellt wurden, enorm weiterentwickelte, ist jetzt das Ziel eine digitale Begehung dieser Region inklusive der Begehung nicht mehr existierender Häuser und der Implementierung tausender Bildpaare aus Augenmerk und Update sowie der Implementierung anderer großer Arbeiten und vielen Einzelbildern.
Die Arbeit an diesem Werk wird sich über Jahre hinziehen. Sollte sie endgefertigt werden können, wird sie sicher ein wesentlicher Beitrag zur Geschichte und auch zum Selbstverständnis dieser Region und speziell des Ortes Weyer sein.